Die Korken knallen, der schwarze Himmel funkelt in verschiedenen Farben und schon ist es da, das neue Jahr, ein Neubeginn im Nebel. Es fühlt sich an wie letzten Monat, dass wir uns gerade von einem sehr ungeliebten 2020 verabschiedet hatten, nun ist schon wieder ein Jahr vorbei, ein Jahr, das die Leichtigkeit und die Freiheit zurückbringen hätte sollen, stattdessen war es ebenso mühsam wie das vorige und von Restriktionen und Schreckensnachrichten gezeichnet. Es ist vollbracht, 2021 dürfen wir getrost in die Vergangenheit schicken und jetzt gilt es nach vorne zu schauen und das neue Jahr mit seinen Facetten zu begrüßen. Wird es grundsätzlich ein besseres werden? Das wird sich zeigen, definitiv möchte ich es zu einem schönen machen, egal was die äußeren Umstände bringen.
Das Büchlein – vom Vorsatz zur Intention!
Seit ein paar Jahren schreibe ich mir Vorsätze zu Silvester auf, die ich im neuen Jahr durchziehen möchte. Wer kennt das nicht, von allen Seiten wird geträllert, dass frau sich im neuen Jahr optimieren muss und ich bin praktisch die Vorsitzende der Optimierung. Zu keinem Jahresende hatte ich bis jetzt das Gefühl, genug gereist zu sein, ausreichend geleistet oder hinreichend auf meinen Körper geachtet zu haben. Alles war immer zu wenig oder zu viel…zu viel Zucker, zu wenig Sport, zu viel Netflix, zu wenig Bücher, zu viel Angst, zu wenig Proaktivität, nie war etwas genau richtig. Das Resultat war eine endlose Liste an Vorsätzen, die ich am darauffolgenden Jahresende wehmütig und verärgert lesen musste, weil ich die wenigsten Punkte erfüllen konnte, nicht weil ich unwillig war, sondern weil die Erwartungen an mich selbst überzogen und unrealistisch waren.
Dieses Jahr zücke ich wieder das Büchlein mit den Jahresvorsätzen, aber dieses Mal erst entspannt am Neujahrstag, nachdem ich Kekse und Cappuccino gefrühstückt und nicht irgendeinen grünen Saft hinuntergewürgt habe. In meinem Büchlein werden heuer Intentionen statt Vorsätze aufgeschrieben, das mag jetzt nach Haarspalterei klingen, aber ich möchte unter ersterem motivierende Gedanken verstehen und nicht mehr aufgeschriebene Ziele zu einem weiteren Stressfaktor werden lassen.
Realistische Vorhaben und großzügiges Wohlwollen
Auch im Jahr 2022 möchte ich mir und meinem Körper viel gutes Tun und auf meine Ernährung achten, aber ich werde weder Lebensmittel aus meinem Speiseplan streichen noch mir eine Ernährungsform auferlegen. Saftkuren, Low-Carb, Intermittent Fasting und jeder andere Trend kann mir gestohlen bleiben, ich lebe generell gesund, achte darauf, dass ich viel Gemüse und Obst esse und alles andere entscheide ich intuitiv. Es gibt Tage (so einmal im Monat, mehhh), da möchte ich nur Süßes beziehungsweiße Kohlenhydrate mit Kohlenhydraten, da haben meine Mahlzeiten nur die Farbe beige und das ist völlig okay. Ebenso werde ich mich selbst nicht mehr schikanieren, wenn es um ein Glas Wein oder einen Nachtisch geht, meine Intention für dieses Jahr lautet Balance, Lebensmittel nicht mehr in wertvoll oder böse zu kategorisieren und mehr auf meine Gelüste als auf Regeln im Kopf zu hören.
Das gleich gilt beim Sport. Meine Intention ist es, fit zu sein und mich zu bewegen, egal in welcher Form. Ich möchte nicht mehr strikt zweimal in der Woche laufen gehen oder einmal pro Woche Yoga machen, sondern versuchen, mir an mehreren Tagen der Woche Zeit für Sport zu nehmen und dann hinzuhören, worauf ich Lust habe. Ebenso werde ich mich herausfordern, mir ein paar sportliche Ziele setzen, weil ich gerne an etwas arbeite. Dieses Jahr möchte ich flexibler werden, mehr dehnen, an ein paar Yogapositionen arbeiten und endlich den Handstand ohne Wand können. Aber es wird auch die Tage und Wochen geben, in denen ich mich kaum bewege, nur spazieren gehe und auf der Couch liege, auch Regenerationszeiten werde ich dieses Jahr zelebrieren.
Mehr lesen steht quasi jedes Jahr auf meiner Liste, heute habe ich mir fünf Bücher ausgesucht, die ich lesen möchte beziehungsweise lesen werde, weil ich mich jetzt schon darauf freue. Der Vorsatz mehr zu lesen ist viel zu schwammig, es hat immer an den Büchern und/oder der Bereitschaft, mir eines auszusuchen, gefehlt, meine Bücher stehen inzwischen fest, ein guter Mix aus Unterhaltung und Bildung, das erste habe ich gestern angefangen und freue mich schon auf die Abende, an denen ich statt Netflix etwas lese. Apropos Netflix, damit schließe ich auch meinen Frieden. Ich schaue gern Serien, manchmal bis spät in die Nacht, das passt nicht zu meinem idealen Selbstbild, „weil es keinen intellektuellen Mehrwert hat“, wie die Moralapostelin in mir gern betont, aber ich liebe es, mich unterhalten zu lassen und Staffel für Staffel zu suchten. Meine Intention ist aber hier zu überlegen, ob ich auch auf etwas anderes Lust hätte, anstatt ferngesteuert in den Bildschirm zu starren.
Mein letzter Punkt bei der Lebensgestaltung wird das Reisen sein. Das ganze Jahr schon mache ich mir Notizen, wenn ich besonders schöne Orte oder Hotels auf Instagram und Co. sehe, leider denke ich „da muss ich hin“ viel zu oft und vergesse das Reiseziel in der nächsten Stunde wieder. Ich möchte mir bewusst keine Destinationen für das Jahr 2022 vornehmen, weil ich mir so den Ärger, wenn sich durch die Pandemie nicht alles realisieren lässt, ersparen kann, aber ich möchte versuchen, so viele Orte wie möglich zu besuchen. Innerhalb Europas habe ich viel im Norden noch nicht gesehen, auch eine lange Reise würde mir wieder einmal Spaß machen. Meine Intention für das Reisen ist dieses Jahr Gönnung, ich will schöne Hotels mit Meerblick anstatt der Gartenoption, Zimmer im Zentrum anstatt irgendwo außerhalb und Reservierungen im Vorfeld (wie mich hektische Suche mit Hunger am Abend ärgert) in tollen Restaurants. Wenn ich auf die letzten zwei Sommer zurückblicke, hätte ich mir gern mehr gegönnt, schöner gewohnt und mich finanziell weiter aus dem Fenster gelehnt. Ich arbeite hart daran, mein „Studentin, es muss günstig sein“-Gehirn auf eine „wir arbeiten und können uns das leisten“-Attitüde umzustellen.
Ich bin ich, nur echter!
Meine wichtigste Intention wird mein Handeln betreffen. Ich möchte mehr ich sein, mich mehr meinen Bedürfnissen entsprechend verhalten, mehr meine eigene Wahrheit sprechen, mich weniger von meinen Ängsten leiten lassen und vor allem weniger darüber nachdenken, was die anderen denken. Nach über dreißig Jahren komme ich inzwischen sehr gut mit mir klar, ich mag wie und wer ich bin, ich kenne meine Prinzipien, weiß, wofür ich einstehe und was mir gut tut und kann mir inzwischen auch selbst bestens unter die Arme greifen, wenn die Tage schwer sind. Mein Inneres nach außen zu tragen, zu verlangen und konfrontieren, abzulehnen und die Hand zu heben fällt mir hingegen sehr schwer, daran möchte und werde ich arbeiten, ohne Druck und ohne Stress will ich mich ausprobieren und entdecken, wie die Welt sich anders drehen kann.
Ich freue mich auf dieses Jahr, auf die schönen Momente, die schwierigen Kämpfe, die neuen Abenteuer und die Zeit mit mir selbst und meinen Liebsten. Gestern war ein schönes Silvester, es war nicht so, wie ich es mir in meinen 30ern vorgestellt hatte, die Dinnerparty in meiner großen Wohnung am langen Tisch mit Freunden und Partner, aber, und das ist ein großes aber, es hat perfekt gepasst so wie es war. Auch wenn ein kleines bisschen Angst im Raum steht, dass die Zukunft nicht alles so bringt, wie ich es mir wünsche, die Hoffnung, dass schon alles so kommen wird, wie es kommen soll, überwiegt.
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