Es waren wieder ein paar Tage, in denen alles drüber und drunter ging, in denen die Alltagsroutine gefehlt hat, vieles nicht so lief wie geplant und mir mein Hirn den einen oder anderen Stein in den Weg gelegt hat. Es ist jetzt Freitag halb acht in der Früh, wenn ich diesen Beitrag schreibe, ich sitze am Balkon, die Luft ist wunderbar frisch vom heftigen Gewitter gestern und neben mir steht schon die erste leere Cappuccinoschale. Ich hab massig prokrastiniert diese Woche, obwohl ich viel zu viel zu tun hatte, zu viele Aufgaben, zu viele Projekte und zu viele Gefühle. Mir wird oft vorgeworfen, dass mir „eh alles so leicht von der Hand geht“ und darum nehme ich euch gern mit durch meine kleine Alltagsgeschichten und Fails der letzten Tage. Was wir am Ende sehen, repräsentiert sehr oft nicht den Weg davor.
Überwältigung & Resignation
Seit dem letzten Wochenende bin ich in allem einen Schritt (fühlt sich eigentlich wie vier an!) hinten. Ich hab letzten Samstag ein Konzert gespielt, am Sonntag eine Matinee besucht und hatte dann keine Energie mehr, in irgendeiner Form produktiv zu sein und dann kam am Montag die Aufgabenwelle, die mir die Luft zum Atmen geraubt hat. Unzählige Emails, zwei Schularbeiten, die ich noch schnell vorbereiten musste, ein Video für den Workshop dieses Wochenende, das Konzept für den Workshop, Flöte üben für die zwei Konzerte nächste Woche, Blogbeitrag, Tindernachrichten, Zeit mit Freundinnen, Urlaubsplanung und dazu bin ich dieses Wochenende noch in Salzburg, um meine Großeltern nach zwei Jahren endlich wiederzusehen.
Die To-do-Liste war endlos lang und ich selbst kam darin noch gar nicht vor. Der Sommer und die wahnsinnig warmen Temperaturen hatten mich überrannt. Meine Beine waren nicht epiliert, die Nägel nicht lackiert, der Termin bei der Fußpflege noch nicht vereinbart, meine Haut spielte gerade verrückt und zu allem Überfluss, waren meine Haare seit dem Friseurbesuch letzte Woche viel zu blond und zu gelb und ich hab mich überhaupt nicht wohl gefühlt.
Das Resultat? Ich hab montagnachmittags gefühlte vier Stunden YouTube geschaut, den Trial von Johnny & Amber, weil ich classy af bin, und aufgegeben, bevor ich angefangen hatte. Ich schlafe im Moment unruhig, der Kaffeekonsum geht durch die Decke und ich rette mich von einem Schokohigh zum nächsten. Das Nervenkostüm ist wieder dünn wie schon lange nicht und mit perfektem Timing haben sich die altbekannten Monster aus der dunklen Ecke auf die Bühne getraut.
Einen kleinen Schritt weiter...
Dementsprechend war die Therapiestunde am Dienstag intensiv und ich habe geweint wie schon lange nicht mehr. Meine Therapeutin und ich haben entdeckt, dass ich sehr gut aushalten kann, was mir eigentlich zu viel ist, weil ich schon als Kind sehr feine Antennen für die Bedürfnisse und Wünsche anderer hatte. Anstatt mir Platz und Gehör für meine Ansprüche zu schaffen, habe ich schon früh ausbalanciert und kompensiert, um zu genügen, zu entsprechen und meinem Umfeld gerecht zu werden. Ich bin immer zwischen den Stühlen und zwischen meinen Eltern gestanden, anstatt mich zu setzen, musste ich mich entscheiden, obwohl ich es nicht konnte, Verantwortung übernehmen, obwohl es nicht meine Aufgabe war. Dieses Muster zieht sich durch meine Lebensgeschichte und das hat mich ganz unglaublich traurig gemacht.
Ich hab ein Doppelstudium gemacht und nie richtig zu einem Studentenkreis dazugehört, mehrere Anstellungen gleichzeitig gemanagt, aber nie irgendwo einen fixen Platz gehabt und ich hab sehr (zu!) oft, mehrere Männergeschichten gleichzeitig gehabt, um mich nicht auf einen einlassen zu müssen und eventuell enttäuscht zu werden. In meiner letzten Beziehung war ich die starke Seite, hab eine Schulter zum Anlehnen geboten, obwohl es mir selbst nicht gut ging, hab unterstützt und fremde Aufgaben übernommen, obwohl ich rasten hätte müssen, und ich hab mich zum Ende hin wochenlang ungeliebt gefühlt und mich trotzdem bemüht, weil ich es aushalten konnte. Später hab ich Raum gegeben, obwohl ich Nähe wollte, Zeit gegeben, obwohl ich eine Entscheidung gebraucht hätte und das hin und her Spiel ewig mitgemacht, obwohl es mir nicht gut dabei ging. Ich hab wiederum kompensiert, ausbalanciert und lange ausgehalten, was mir nicht entsprochen hat.
Diese Erkenntnis hat weh getan, mich wütend werden lassen und ich werde auch noch eine Weile wütend sein, auf mich und auf die Personen in meinem Umfeld, die nach wie vor glauben, dass mir das eine oder andere schon zuzumuten ist. Ich hab genug von der Rolle der Souveränen, der Starken und der Problemlöserin.
Duftkerzen, Wald, Prioritäten & Multitasking
Wie das Ende dieser Woche war? Tja, von alleine lösen sich die Aufgaben dann eben doch nicht in Luft auf. Ich wünschte, ich könnte euch jetzt erzählen, dass ich mir eine Duftkerze angezündet, die Ärmel zurückgekrempelt hab und alle Erledigungen in einem sehr intensiven und produktiven Tag abhaken konnte, aber so war es eben nicht. Ich hab mit mir begonnen, meine Haare wieder dunkler tönen lassen, meine Nägel lackiert und meine Beine enthaart. Für die Schularbeiten musste ich Nachtschichten einlegen, das Video für den Workshop ist nicht so geworden, wie ich es mir gewünscht hätte, aber es gibt zumindest eines. Für die Konzerte nächste Woche hab ich noch keinen Ton gespielt, aber immerhin hab ich mir beim Epilieren die Noten angeschaut und eine Aufnahme angehört und neben der Duftkerze habe ich am Mittwoch ein bisschen für den Workshop vorbereitet.
Eigentlich wollte ich gestern abends den Blogbeitrag schreiben, aber ich bin lieber in den Wald gegangen, dafür bin ich heute Früh raus und sitze jetzt vorm Laptop. Die Emails habe ich Emails sein lassen und Tinder muss bis zur Autofahrt morgen warten, ebenso die Urlaubsplanung. Anfangen heißt das Zauberwort, Ansprüche herunterschrauben ist der Zauberstab und eine riesige Portion Selbstfürsorge ist der Zaubertrank. Meine Selbstfürsorge war unter anderem ein schöner Abend mit meiner Freundin, wir haben unsere erste Weinrunde dieses Jahr gemacht und obwohl ich diese drei Stunden anders nutzen hätte können, haben sie meiner Seele und meinem Geist sehr gut getan.
Ich hab diese Woche nicht alles so geschafft, wie ich es gerne wollte, aber es geht trotzdem irgendwie. Auf solche Wochen kann ich gerne in Zukunft verzichten, aber sie gehören zum Leben und Lernen dazu. Wenn du also auch manchmal eine richtig beschissene Woche hast, in der nichts klappt und in der du bei allem einen Schritt hinterher hinkst, dann sei dir sicher, dass du nicht alleine bist. Die Wenigsten geben es zu, aber alle haben hin und wieder zu kämpfen.
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