Und, wie war euer Valentinstag? Ich hab einen langen Spaziergang gemacht, mir das beste Croissant geholt, meine Nägel mit Glitzer bestrichen und ab dem frühen Nachmittag mit einer Freundin im Day-Spa relaxt. Single-Blues, nicht mit mir, alle Vorkehrungen hab ich getroffen, damit mich dieses Jahr keine blöden Gefühle einholen können. Ich hatte einen superschönen Tag und abends im Bett haben sie dann doch angeklopft, die Selbstzweifel, die negativen Glaubenssätze und die Gewissheit, dass alle anderen sich heute über Blumen von ihren Liebsten freuen durften.
So wie es war, …
Ich hab mich verloren in den letzten Wochen, die Feiertage sind schon immer eine Herausforderung und mit dem Jahreswechsel und der Diagnose meines Vaters hab ich die Leinen aus der Hand gegeben und mich von meinen Monstern überrennen lassen. Es ist so gemein, weil es so schnell passiert und jetzt stehe ich wieder zwischen den Stühlen, weil ich nicht mehr sicher bin, wer ich eigentlich wirklich bin und was ich möchte. Also hab ich mich viel, auch mit meiner Therapeutin, mit meinem Selbstbild beschäftigt, welches, wie sich herausgestellt hat, sehr von alten Zeiten und wenig vom Ist-Zustand geprägt ist.
Hi, ich bin Miri, ich kann alles, ich mache alles, ich brauche nie Hilfe und ich kann mich kaum auf andere einlassen, mir schwer Gehör verschaffen, fühle mich bei Fremden unwohl, hasse große Gruppen, Teamwork finde ich mühsam, das Wort NEIN kommt nie aus meinem Mund, mein Harmoniebedürfnis ist erschreckend groß und am liebsten leide ich im Stillen, ohne dass es jemand merkt. Ganz oft trample ich auf meinen eigenen Grenzen, bin theatralisch oder kühl, fragil oder stark, Eisprinzessin oder Fräulein in Not, ich existiere in Extremen, dort fühle ich mich wohl. Ganz oder gar nicht, schwarz oder weiß, Ungewissheit halte ich kaum aus, zu artikulieren, was ich brauche, ist ein Kraftakt – warte, ich mach lieber alles selbst, dann wird’s auch etwas.
Tja, mein zweiter Vorname als Kind war „selber“ und die ersten dreißig Jahre meines Lebens waren davon geprägt, um sichere Liebe und Anerkennung zu ringen, dazuzugehören und mich selbst vor Enttäuschungen zu schützen. Die Kleine hatte schon ein gutes Gespür und hat sich angepasst, zwischen den geschiedenen Eltern ausbalanciert und war brav, um ihren Platz zu sichern. Wie ich in meinen 20ern gelebt habe, macht mich oft traurig, weil ich gar nicht gesehen habe, wie verletzt ich war und wie sehr ich mit mir gekämpft habe ohne zu wissen warum.
… muss es nicht bleiben!
Mein altes Selbstbild wird besonders in Beziehungen und auch in meinem Singledasein zum Problem, weil ich sehr schnell in ungesunde Verhaltensweisen reinrutsche und eine „Ich mach alles selbst, alle anderen enttäuschen sowieso nur“-Attitüde an den Tag lege. Aber niemandem zu trauen hat wenig mit der starken Frau zu tun, die ich gerne sein möchte und der Feministin, die sich sicher ist, dass ein Leben als Single gleich gut ist wie eines in einer Partnerschaft. Ich möchte gerne die Mitte finden und mich von den Extremen lösen, Ruhe spüren und weiter erkunden, wie sich ein Alltag nach meinen eigenen Regeln und mit ausgelebten Gefühlen – gut wie schlecht – anfühlt.
Die Wahrheit ist, dass es auch gar nicht mehr funktioniert, die alte Fassade aufrechtzuerhalten, es ermüdet mich extrem, immer an mir zu zweifeln, auf die Validierung anderer zu warten und mich von gesellschaftlichen Erwartungen kleinhalten und leise werden zu lassen. Immer öfter steigt die Wut in mir auf, ich kann sie noch nicht aussprechen, aber sie ist da. Immer öfter fühlen sich altbekannte Situationen falsch an, immer öfter möchte ich mich abgrenzen und für mich einstehen. Aber wütende Frauen sind schwierig, die reagieren nur über und sind schnell hysterisch, wenn sie ihre Stimme erheben. Mein Selbstbild divergiert gerade enorm von meinen aktuellen Bedürfnissen und Vorstellungen.
Einmal Farbe bitte!
Also ist es Zeit für einen neuen Anstrich, eine Neuerfindung. Vielleicht hab ich auch zu viel Gossip Girl geschaut in letzter Zeit (nämlich alle Staffeln!!!), aber ich fühle mich inspiriert von Queen B, die bunte und extravagante Couture trägt, für ihre eigenen Bedürfnisse einsteht und lieber alleine ist als mit den Falschen zusammen.
Veränderungen sind anstrengend, Gewohntes hinter sich zu lassen, ist immer mühsam, aber ich glaube, dass es auch spannend sein kann, aus alten Mustern herauszuwachsen und sich mit neuen Federn zu schmücken. Ich hab mir vorgenommen, mein gedämpftes Ego endgültig hinter mir zu lassen, optisch wie auch im Verhalten. Zukünftig möchte ich bei mir selbst an erster Stelle stehen, Platz einnehmen, knalligere Farben tragen, lauter meine Wünsche aussprechen, schneller Grenzen setzen und aushalten, wenn ich die Erwartung anderer nicht treffe. Ich möchte mich nicht mehr mit dem Minimum zufrieden geben und nicht mehr leise schmollen, sondern klar kommunizieren und Ansprüche stellen, um die kein Weg herumführt.
Die wohl größte Hürde ist die Angst, übrig zu bleiben oder mit dem Falschen zu enden. Manchmal kann ich mein Singleleben in vollsten Zügen genießen und hin und wieder (im Moment sehr oft) hab ich sehr damit zu kämpfen, gegen den Strom zu schwimmen und darauf zu vertrauen, dass ich es gut habe, wie es gerade ist. Ein neuer Anstrich!
Hi, ich bin Miri, ich bin noch nicht ganz dort, wo ich sein möchte, aber ich weiß, wo es hingehen soll und ich arbeite dran!
Am besten funktionieren Perspektivenwechsel und ein Reset an anderen Orten. Ich hab am Donnerstag meine Sachen gepackt, mich in den Zug gesetzt und verbringe zwei Nächte in Salzburg, wo ich meine Mama besuche, die hier gerade arbeitet. Wenn ich alleine durch die Straßen schlendere, stellt sich immer ein Zufriedenheitsgefühl ein, beim ersten Cappuccino sieht die Welt schon wieder anders aus und nach den geschriebenen Zeilen, hab ich sogar ein Lächeln im Gesicht. Hier vermisse ich niemanden und kann alle Zweifel abschütteln, ideal um in neuen Farben zu erstrahlen.
Schau dir dein Selbstbild und deine Fassade an, vielleicht ist es Zeit für kleine Renovierungsarbeiten! :)
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