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Eine Liebeserklärung an Brot, auch das weiße!

Als ich ein Teenager war, wurde Brot zum offiziellen Gegner der Frauenwelt erklärt, ein Feind, der sich sofort auf die Hüften schleicht, ein Gegner mit viel zu vielen Kohlehydraten, ein Tischgedeck, das Angst und Schrecken verbreitet. Nachdem das Brot in jedem Lifestyle-Magazin verteufelt worden war, hatte ich lange Zeit ein Problem damit, Brot ohne schlechtes Gewissen zu essen. Und mit lange meine ich ewig, bis vor kurzem, um genau zu sein und das, obwohl ein Stimmchen in mir schon immer der Kruste mit weichem Kern "Ich liebe dich" zugeflüstert hat.

 

Oh du verhängnisvolles Brot!

In den letzten Jahren meiner Schulzeit und am Anfang meiner Studienzeit habe ich am Wochenende in einer Bäckerei gearbeitet und war von Brot umgeben, dennoch habe ich nie eines angerührt. Brot war für besondere Anlässe und für das sonntägliche Frühstück reserviert, ansonsten war Brot verpönt. Wie es genau zu dieser Einstellung gekommen ist, kann ich nicht mehr genau sagen, es muss wohl eine Fülle an Negativaussagen gegeben haben, damit sich diese toxische Assoziation so festgebrannt hatte. Traurigerweise wird Brot auch heute noch in vielen Frauenzeitschriften als Figurkiller dargestellt und nicht selten erlebe ich, wie sich speziell Frauen vornehm beim Brotkorb zurückhalten. Natürlich ist Brot nicht gleich Brot, aber zuerst möchte ich ein wenig in der Geschichte zurückgehen.

Ein kleiner geschichtlicher Hintergrund...

Vor ca. 10 000 Jahren begann der Mensch damit, systematisch Getreide anzubauen, zu mahlen und mit Wasser zu vermischen. Zuerst wurde einfach der Brei gegessen, später hat man das Gemisch dann auf heißen Steinen zu einer Art Fladenbrot gebacken. Brot gehört somit zu den ältesten kultivierten Nahrungsmitteln der Menschheit und seine Geschichte reicht länger zurück, als wohl den meisten von uns bekannt ist. Im Mittelalter wurde ein echtes Handwerk daraus gemacht, Bäcker waren in der Gesellschaft sehr angesehen und ausbleibende Ernten führten zu Hunger in der Bevölkerung. Formen und Varianten von Gebäck finden sich in jedem Kulturkreis wieder, besonders in Europa hat sich Brot zu einem fixen Bestandteil der jeweiligen Cuisine etabliert, seine Vielfalt im deutschsprachigem Raum ist unübertroffen und wurde sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.


Lange Zeit kritisch begutachtet, jetzt wieder hip.

Nun, wie bereits weiter oben erwähnt, galt "richtiges" Brot lange Zeit unter Figurbewussten als verpönt, ein wenig zieht sich dieser Trend auch heute noch fort. Es gibt brotlose Burger (wieso???), Brot, das nur aus Kernen und Samen besteht (einfach nur traurig) oder besonders eiweißreiches Brot (am traurigsten). Darüberhinaus gibt es bei Brot, so wie bei allen Lebensmitteln, enorme qualitative Unterschiede. Wer einmal ein echtes Krustenbrot oder ein liebevoll herangezüchtetes Sauerteigbrot von einer Bäckerei, die wirklich noch selbst backt, probiert hat, kann eigentlich nicht mehr zurück. Schnell aufgebackene Teiglinge aus Supermärkten haben mit Brot nichts mehr zu tun, auch das musste ich erst lernen. Während meiner Abstinenz hatte ich Brot auch kaum vermisst, wirklich geschmeckt hatte es mir nie, ohne Butter und Honig absolut uninteressant und trocken. Auch der Brotkorb beim Italiener war wenig verlockend, mir fehlte das Besondere, der Reiz und vor allem das Wissen. Erst als von jeder Karte das Avocadobrot nicht mehr wegzudenken war und nach jahrelanger Bowl- und Porridgebestellerei auch Sauerteigbrot millennial-anerkannt war, fing ich an, mich wieder für Brot – wenn auch zunächst skeptisch und vorsichtig – zu interessieren.


Brot, Liebe und Fantasie.

So lautet der Titel eines italienisches Filmes aus den 50er Jahren und allen voran zelebriert das südliche Nachbarland sein flaumiges Ciabatta mit feiner Kruste oder seine knusprigen Grissini. Wenn Weißbrot mit Olivenöl, Balsamico und Salz & Pfeffer serviert wird, brauche ich keine Vorspeise mehr, vielleicht ein paar Oliven und kalten Weißwein, aber ein frisches Weißbrot in die italienischen Aromen getunkt ist der Inbegriff von Glückseligkeit. Ich liebe die Selbstverständlichkeit, mit der im Süden zu jedem Gericht frisches Brot gereicht wird und auch die Simplizität, nur ein wenig Öl und Gewürze reichen für eine Geschmacksexplosion. Nach den ersten Anbandlungen in den Urlaubswochen, habe ich mich auch zuhause wieder mehr dem Brot zugewandt und angefangen, ein wenig zu experimentieren. Was soll ich sagen – es ist Liebe.


Knusprig angebratenes Sauerteigbrot mit Ziegenstreichkäse und gebratenen Champignons, Bruschetti mit Tomaten und Basilikum oder mein geliebtes Walnussbrot mit Avocado (schuldig!) und Schafskäse, ich liebe Brot, aber nicht irgendein Brot, sondern echtes Brot, ganze Brotlaibe, Brot vom kleinen Bäcker mit großem Geschmack. Ich mag das mit Dinkel, aber auch das mit Kartoffeln, Roggen darf es auch hin und wieder sein, manchmal auch Körner oder Nüsse und natürlich Weißbrot – nur Weizen – der Horror aller Ballaststoff-Apostelinnen. Brot hat seinen schlechten Ruf nicht verdient, am Ende des Tages sind Kohlehydrate gleich Kohlehydrate, und mit Ende meine ich wirklich auch abends. Brot einkaufen ist inzwischen ein Ritual für mich geworden, ebenso wie den Brotkorb im Restaurant zu leeren und frisches Brot mit ohne alles zu essen, zu jeder Tages- und Nachtzeit.


Brot und Wein. Amen.

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