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Autorenbilddiedreißigerin

Ewige Junggesellen und alte Jungfern!

Habt ihr in letzter Zeit einmal bewusst die Inhalte eurer Social Media Plattformen wahrgenommen. Wenn ihr euch plus minus in meinem Alter befindet, dann werdet ihr in unzähligen Posts und Stories Verlobungsringe, Babykugeln, Hochzeiten und Eigenheimbau vor die Nase gesetzt bekommen. Aja, die ist jetzt verheiratet, der baut gerade Haus, oh wieder schwanger, endlich verlobt, gerade im Traumurlaub und das alles mit spätestens Mitte 30. Im Moment tickt die wieder Uhr laut im Hintergrund, ich finde es schwierig, mich von den Vergleichen fernzuhalten und hab überlegt, warum es Frauen in diesem dritten Jahrzehnt so viel schwerer haben als die Männerwelt.

 
Die aktuelle Gefühlslage…

…ist im Moment recht gemischt würde ich sagen. Irgendwie scheint sich dieses „gemischt“ sowieso durch die letzten Monate und Jahre zu ziehen. Ich hab viele gute Tage, schöne Stunden mit mir, mit Freundinnen, mit meiner Familie, aber auch eben jene Abende, an denen ich zu viel Zeit auf Instagram und Co. verbringe und dann ins Grübeln komme. Tja…ich hab den Anschluss verpasst, so sieht’s aus, ich hab keinen Mann, kein Haus, nicht einmal eine Eigentumswohnung, keine Kinder und auch nicht die super duper Karriere, die ein Fehlen der zuvor genannten Errungenschaften rechtfertigen könnte. Als Tüpfelchen auf dem i hab ich auch keine definierte Beziehung, die eine Veränderung meiner jetzigen Situation in Aussicht stellen würde. Single like a pringle, alleinstehend oder mein persönliches Unwort: ledig.

Vorbilder für perfekte Partnerschaften und das Traumleben mit Familie im Eigenheim gab es schon immer, aber früher habe ich leise geschmunzelt, war nicht bereit für Erwachsenendinge und mein Umfeld hat sich auch noch in mehr oder weniger fixen Beziehungen und mittelmäßigen Mietwohnungen bewegt. In den letzten 5 Jahren haben aber alle ordentlich Gas gegeben und enge Freundinnen sowie auch die Social Media Bubble hat viele Boxen abgehakt und plötzlich stehst du da, umgeben von Paaren, Babies und Interieurfragen. Bin ich also zu spät dran mit allem?


Wo kommt das her?

Nun, ab dreißig bekommt die Frauenwelt den Faktor Zeit praktisch täglich zum Frühstück serviert. Die biologische Uhr, die Angst vorm Übrigbleiben, die Fragen nach Beziehung und Kindern, es vergeht praktisch keine Woche, in der ich nicht mit solcherlei Themen konfrontiert bin. Und Sätze wie „du hast noch genügend Zeit, dann geht’s dafür doppelt so schnell“ sind praktisch gleich schlimm wie ein verkrampftes Lächeln, wenn ich „Single“ verkünde. Aber wo kommt dieser innerliche Stress her? – diese Idealvorstellung ist sozialisiert, von Kindheitstagen eingetrichtert, in vielen Hollywoodfilmen porträtiert und noch immer gesellschaftlicher Standard. Wenn du keine Kinder willst, wirst du schräg angeschaut, wenn du lieber alleine bist, macht sich jeder Sorgen, zumindest wenn du als Frau durchs Leben gehst.


So sehr ich mich auch selbst bemühe, kann niemand leugnen, dass veraltete Muster in uns weiterleben und uns beeinflussen. Die Frau findet ihr Glück drinnen, im Heim mit Kindern, mit Familienumsorgung und Nestbau, der Mann seine Erfüllung draußen, in der Gesellschaft, mit Karriere und Geldbeschaffung. Stimmt nicht? Gerade diese Woche kam der Artikel vom Standard, wie wenig Männer bereit sind, in Karenz zu gehen und wie sehr der Druck auf Frauen wächst, möglichst schnell wieder zu arbeiten und dennoch die Kinderbetreuung zu übernehmen. Viele Stereotypen sind leider verinnerlicht und es ist sehr hart, jene abzuschütteln.

Bei Männern Mitte 30 ist Zukunftsstress vermutlich weniger präsent als bei Frauen Mitte 30, ich spüre und sehe das auch deutlich. Jetzt ist praktisch die heiße Phase, wenn es jetzt nicht bald passiert, ist es endgültig zu spät. Ich möchte gar nicht erst wissen, wie sich das in den Vierzigern anfühlt, wenn du als alleinstehende, unverheiratete, kinderlose Frau als alte Jungfer giltst, während der männliche Mittvierziger einen fast schon anziehenden Ruf als ewiger Junggeselle genießt. Wieso sollte er sich auch stressen, er kann noch viele Jahre lang eine Familie gründen, sich ohne prüfende Blicke eine Jüngere „nehmen“ und seine Hormone klopfen auch nicht ständig an.


Ist was dran?

Brauche ich als Frau wirklich eine:n Partner:in fürs Leben, um glücklich zu werden? Ist eine Familie die endgültige Erfüllung? Läuft mir mit Anfang dreißig bereits die Zeit davon? Oft fällt es mir sehr schwer, zu evaluieren, was ich möchte und was ich glaube zu wollen, weil es mir seit Kindheitstagen einsuggeriert wird. Ich bin mir sicher, dass ich gerne einen Partner hätte, einen der zu mir passt, der die gleichen Vorstellungen von einem Leben teilt und mit dem ich eine Beziehung führen kann, die eine Bereicherung für uns beide ist. Aber ich wohne verdammt gerne allein, was mir zu Anfang große Probleme bereitet hat, weil ich mich einsam fühlte, ist inzwischen ein absolutes Träumchen. Alles sieht so aus wie ich es möchte, alles sieht noch immer so aus, wenn ich wieder nach Hause komme. Ich liebe die Zeit für mich, die Flexibilität und die Selbstständigkeit dahinter. Wenn ich Lust habe, schau ich 10 Folgen von der Serie, manchmal esse ich drei Abende das gleiche, manchmal möchte ich noch vor der Schule Sport bei lauter Musik machen – es ist einfach nichts ein Kompromiss und das ist gefährlich großartig.

Ganz unromantisch formuliert ist es aber auch weniger praktisch alles alleine zu machen, wie gern hätte ich, dass jemand am Abend für mich kocht, die halbe Miete zahlt und auch einmal den Müll rausbringt. Eine Partnerschaft ergibt absolut Sinn, wenn ein Familienwunsch vorliegt, doppelt. Darüberhinaus liegt die Angst vorm Alleinsein, vor allem im Alter, immer in der Luft, vorm Übrigbleiben, weil dann alle anderen mit ihren Beziehungen und ihren Familien beschäftigt sind. Freundinnen mit Kindern verschwinden von der Bildfläche, die gehen freitags nicht schick essen und danach tanzen, machen in den ersten Jahren keinen Wochenendtrips ins Ausland und trinken nicht stundenlang Kaffee mit dir. Das ist bitter – auch sehr nachvollziehbar – aber bitter, wenn du zuschauen musst, wie eine nach der anderen ihre Prioritäten ändert und du zurückbleibst. Wie gesagt, jetzt ist das alles noch recht ausbalanciert, aber frage nicht, wie mein Umfeld in fünf Jahren aussieht!


Was kommt dabei raus?

Richtig fieser Stress – ein Stress, der kaum zu bewältigen ist, weil er einer Situation entspringt, die ich nicht beeinflussen kann. Dieser Stress führt zu unentspanntem Daten, einem Verbiegen bei neuen Begegnungen und einem Dauerzweifeln, was die richtigen Entscheidungen sein könnten. Im Moment hasse ich diesen Zustand, weil mein Blick ausschließlich auf die Zukunft gerichtet ist und mir zum Teil vorkommt, dass ich das Hier und Jetzt kaum genießen kann. Früher habe ich viele Männer über lange Zeit gedatet, mit denen ich mir keine Zukunft vorstellen konnte, das war entspannt und sexy, jetzt stemple ich sowas als reine Zeitverschwendung ab, weil ich ja schnellstmöglich den Richtigen finden muss. Vielleicht führt genau diese Hetzerei dann erst recht zu den falschen Männern und Entscheidungen, zu Idealisierungen gepaart mit Resignation.


Gibt es eine Lösung?

Ja – chillen und im Moment leben. Das klingt einfach ist aber denkbar schwer, dennoch gilt es, die Gedanken immer wieder aus der Zukunft in die Gegenwart zu holen und genau hinzuhören, was in der aktuellen Situation gerade Spaß macht und was es zu genießen gilt. Ich liebe meine Freiheit, ich liebe es, dass ich nichts absprechen und für niemanden Kompromisse eingehen muss, ich schätze es sehr, dass ich so viel Zeit für mich und meine Freundschaften habe und dass mein Geld in Urlaube und schöne Dinge fließt anstatt in Kredite und Windeln. Einfach einmal innehalten und sich freuen, was im Moment gerade alles super schön ist und wofür es dankbar zu sein gilt. Im 21. Jahrhundert können wir uns sicher sein, dass wir keinen Prinzen brauchen, der uns ins Leben zurückküsst und von dem unser Glück abhängt.


Strategie zwei ist alles, was blöde Gefühle hervorruft, zu blockieren und sorgfältig zu wählen, welche Inhalte auf Social Media konsumiert werden. Zudem muss ich auch immer wieder anerkennen, dass sich die Dinge ändern und das mein Leben und das meiner Liebsten beweglich ist. Das macht mir manchmal ganz viel Angst, aber es ist auch ein Funken Vorfreude dabei, auf das, was kommt. Die oberste und wichtigste Priorität ist es, mir zu jeder Zeit die beste Partnerin zu sein, mir das Leben zu versüßen und zu wissen, dass, egal was kommt, ich mir selbst die Hand geben kann und wir das schon schaffen…und, dass es viele gibt, denen es ähnlich geht, auch wenn du sie nicht sehen kannst. <3

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