In Zeiten der Pandemie war ich vor allem für eines dankbar – Unterhaltung! Egal ob Serien, Bücher oder Podcasts, es ist schön sich am Abend auf etwas zu freuen, bei spannenden Szenen mitzufiebern, über witzige Zeilen zu schmunzeln und mit der vertrauten Stimme im Ohr einen Spaziergang zu machen. Seit Jahren schon höre ich Podcasts, die nicht nur unterhalten, sondern entweder informativ oder lehrreich, im besten Fall beides sind. Das gleiche gilt für Bücher, zu Romanen greife ich eher selten, dafür liebe ich „Ich zeig dir wie es geht“-Bücher, in denen die Autorinnen bestimmte Aspekte des Lebens aufspannen, genauer hinsehen und Lösungsvorschläge anbieten. Ganz sachlich sind jene natürlich nie, aber bis jetzt konnte ich noch aus jedem ein wenig für mich mitnehmen. Auch bei Serien sind meine Ansprüche (in guten Zeiten zumindest) gestiegen, ich will Charaktere mit Tiefgang, Geschichten mit Hintergrund, gute Musik und tolle Inszenierungen. Die folgenden drei sind jetzt & immer Favoriten!
The Life-Changing Magic of Not Giving a F**k
Was ich am meisten am meinen Bruder bewundere? Wie vieles ihm einfach am Arsch vorbeigeht! Während ich mich oft stunden- und tagelang mit Entscheidungen rumquäle, das Für und Wider abwiege und mir unzählige Gedanken mache, was andere von meiner Meinung und meinem Tun halten, folgt er seinem ersten Bauchgefühl und setzt sich nicht mit der Sinnflut, die seiner Entscheidung folgt, auseinander. Ich bewundere wie unsympathisch und zugleich ehrlich er manchmal sein kann, "nein" ohne Erklärung formuliert und genau das tut, worauf er grade Lust hat. Er mag da sicher einem Extrem folgen und manchmal nervt mich seine Art ganz furchtbar, aber hin und wieder würde ich mir gerne eine Scheibe abschneiden und es ihm gleichtun.
Im Sommer 2018 habe ich das erste Mal den internationalen Bestseller von Sarah Knight gelesen, auf der Zugfahrt nach Ljubljana kicherte ich bei jeder Seite und hab meiner Mama die witzigen Anekdoten erzählt. „Knight acknowledges the overwhelmingness of the modern world in a different way to many before her“ heißt es in der Rezension des Guardian und ich könnte nicht mehr zustimmen! Am inspirierendsten ist sicher der Begriff Fuck Budget. Damit ist gemeint, wohin man seine Ressourcen (I give a fuck) verteilen möchte, dabei sollten immer Zeit, Energie und Geld mitbedacht werden. Sie reflektiert über die vier verschiedenen Bereiche Dinge & Güter, Arbeit, Freunde, Bekannte & Fremde und Familie und wie man dort Grenzen setzen und bewusst entscheiden kann, womit man sich beschäftigen und worum man sich kümmern möchte.
Ich interessiere mich nicht für Außenpolitik, damit habe ich lange gehadert und mich ungebildet gefühlt, aber inzwischen kann ich damit leben. In der Schule habe ich den Blazer abgelegt, weil es mir endlich egal ist, dass ich nicht wie eine stereotype Lehrerin aussehe und nach wie vor mit Schülerinnen verwechselt werde. Außerdem habe ich weder Zeit noch Energie für Greenpeace-Menschen auf der Straße und hin und wieder kaufe ich mir einen Kaffee im Papierbecher, weil ich meinen Mehrweg vergessen habe. Das Thema Familie wird auch im Buch als das heikelste beschrieben, sobald die Gefühle anderer an Entscheidungen hängen, entstehen Komplikationen und Schuldgefühle. Sehr geschickt beschreibt die Autorin hier, wie man blöde Situationen umgehen kann und sein bestes Leben lebt. Sorry not sorry – unterhaltend, ein bisschen Augen öffnend und lesenswert.
Paula kommt – Der Podcast des Scheiterns
Paula und ich haben bereits eine lange Beziehung. Diese Woche kam die 139. Folge heraus, jede einzelne dieser zirka einstündigen Konversationen habe ich gehört und so gut wie jede geliebt. Ganz sicher bin ich mir nicht mehr, aber ich glaube Paula kommt wurde mir von meiner besten Freundin empfohlen, das ist nun schon sicher 2 Jahre her. Anfangs habe ich mir oft mehrere Folgen pro Woche gegönnt, inzwischen warte ich immer schon ganz geduldig auf Mittwoch und freue mich wie ein kleines Kind, wenn die Folge früh genug auf Spotify erscheint, sodass ich sie am Weg zur Schule hören kann.
Paula Lambert ist vielen vielleicht aus dem Fernsehen bekannt, ich kenne nur ihre Stimme bzw habe ich sie letztes Jahr bei einem ihrer Mädelsabende persönlich getroffen. Eine super sympathische Frau, die schon so einiges Gescheitertes hinter sich hat und ganz tolle Aufklärungsarbeit betreibt. Das Konzept von Paula kommt ist simpel, jede Woche kommt eine Frau (in sehr seltenen Fällen ein Mann) und erzählt von ihrem Leben, ihren Kämpfen, ihrer Kindheit, ihren Ängsten. Paula stellt die richtigen Fragen und ganz oft erkenne ich mich in Verhaltensmustern wieder, habe ähnliche Situationen schon erlebt oder zermartere mir den Kopf über identische Fragen.
Aus diesen vielen Stunden, die ich Paula nun schon zugehört habe, konnte ich viel mitnehmen, hab aus den Problemen vieler einiges für mich selbst gelernt und fühle mich mit meinem eigenen Scheitern weniger allein. Nicht jede Folge ist ein Meisterwerk, aber die meisten sind wirklich hörenswert und einige bleiben lange im Kopf, weil sie so berührend, ehrlich und echt waren. Herzensempfehlung.
The Handmaid’s Tale
„Ich schaff gar nichts mehr Zuhause“, war die Nachricht meiner Mama, nachdem sie schon drei Staffeln im Report der Magd versunken war. Für sie war es neu in eine Serie so involviert zu sein, nicht aufhören zu können, immer nur noch eine Folge zu schauen bis es schon wieder viel zu spät war. The Handmaid’s Tale habe ich durch Zufall entdeckt, ich war zuhause bei meinen Eltern, sie hatten Besuch und nach ein paar Stunden habe ich mir eine Auszeit auf der Couch gegönnt mit dem Luxus eines großen Fernsehers. Amazon Prime, Bild gesehen, erste Folge angefangen und schockverliebt. Es war eine dieser Serien, die ich nicht mittags schauen wollte (oft gönn ich mir eine Folge von irgendetwas nach dem Mittagessen), weil jede Minute zu wertvoll war für nebenher Unterhaltung.
Jede einzelne Episode ist praktisch wie ein Spielfilm, wahnsinnig aufwendig inszeniert, mit tollen Dialogen und einer ganz krass verstörenden und doch so fesselnden Geschichte. Ein dystopisches Drama, das auf einem Roman von Margret Atwood basiert. Die Handlung spielt in der nahen Zukunft, in der nach unzähligen Naturkatastrophen und einer weitverbreiteten Unfruchtbarkeit der Menschen ein totalitärer, christlich-fundamentalistischer Staat entsteht, in dem Frauen alle Rechte entzogen werden und einige wie Sklavinnen gehalten und zur Austragung von Säuglingen gezwungen werden.
Von allen Serien, die ich bis jetzt gesehen habe, war das die fesselndste, die nervenaufreibendste und auch jene, die mich am meisten zum Nachdenken bewegt hat. Teilweise musste ich eine Folge stoppen, weil die Szene zu grausam, zu traurig, zu real war. Es hat mich erschreckt, dass Versklavung, Enteignung und Entrechtung nichts Erfundenes sind, dass so ein Staat unter gewissen Umständen keine völlige Utopie ist, dass der Wohlstand einiger immer zum Leid anderer führt und dass Macht sehr oft zu Korruption und Ausbeutung verleitet. Drei Staffeln lang haben ich nun schon um die Schicksale von June und den anderen Mägden gebangt, hab die Antagonisten gehasst wie sonst kaum welche, und wünsche mir nichts mehr als eine Wende in Staffel 4. Große Empfehlung aber nichts für schwache Nerven.
Inzwischen zelebriere ich meine Serien, die mich schlichtweg unterhalten sollen, meine Podcasts, in denen es um Gefühle anstatt Politik geht, und meine Bücher, die nicht zur Weltliteratur gehören. Das war nicht immer so und ich musste in einem langen Prozess lernen, dass ich nicht immer etwas Sinnvolles tun muss, dass meine Interessen sich von anderen Unterscheiden und dass ich nicht über jedes Thema Bescheid wissen brauche. Ich hab sie in der Vergangenheit probiert, die politischen Podcasts und die Romane von Jane Austen und beschlossen, dass sie nicht in mein Fuck Budget passen.
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