Hochzeiten sind in den Dreißigern ein allgegenwärtiges Thema. In diesem Jahr treten gefühlt mehr Paare denn je vor den Traualtar und mit der Einladung bekommt die alleinstehende Frau auch gleich einen ordentlichen Stressfaktor überreicht. Übelste Geschichten hab ich schon gehört von Frauen, die es gewagt haben, alleine zu einer Hochzeit zu gehen. Von Tränen auf der Toilette, einem Besäufnis an der Bar und Stunden des Unwohlseins zwischen all den vermeintlich glücklichen Paaren wurde mir berichtet – „nie wieder“ war das Fazit von allen. Nun, ich hab mich getraut (die Ironie) und hab auch gleich das Allround-Deluxe-Paket gewählt: 3 Tage Hochzeitsfeierlichkeiten in Venetien gemeinsam mit meinem Exfreund. Eine Erfahrung der besonderen Sorte? – definitiv!
Von Anfang an
Das Leben schreibt manchmal schon die eigenartigsten Geschichten. Vor fast vier Jahren hab ich auf der Sponsion meines damaligen Freundes ein tolles Paar kennengelernt, wir haben uns auf Anhieb verstanden, später dann öfters etwas zu viert unternommen und schließlich haben sie uns zu ihrer Hochzeit eingeladen, die eigentlich letztes Jahr stattfinden hätte sollen. Tja, im Sommer 2020 haben wir uns getrennt, 2021 war ich mehr oder weniger ausgeladen und die Hochzeit ist sowieso coronabedingt ins Wasser gefallen. Im gleichen Sommer war ich mit der Braut in Spe auf Urlaub in Barcelona. Nachdem unsere Freundschaft auch außerhalb der Beziehung gewachsen ist und ich meine liebe Karo inzwischen als sehr gute Freundin bezeichnen würde, hab ich mich auch sehr gefreut, dass sie mich auf ihre Gästeliste für Hochzeit 2.0 gesetzt hat.
Nun, ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht hätte. Auf der einen Seite war ich glücklich, dass ich nun doch bei dieser Hochzeit, auf die ich mich vor zwei Jahren schon so gefreut hatte, dabei war, auf der anderen Seite war der Gedanke, dort als einzige Singlefrau in Gegenwart meines Exfreundes zu sitzen, doch etwas gruselig. Wer nix riskiert, kann nur verlieren und zwei intensive Therapiestunden später hab ich mich voll und ganz bereit für dieses Abenteuer gefühlt. Und es war auch ein perfekter Grund endlich die schönsten Schuhe auszuführen (und eventuell ein dazu passendes Kleid zu kaufen, hehe).
Die Vorstellung
Alleine auf einer Hochzeit zu sein, bei der ich niemanden außer meinen Exfreund und das Brautpaar kenne, würde ich definitiv in die Top 5 meiner Horrorszenarien aufnehmen. Ich hatte mich auf viele unmögliche Fragen, unschöne Situationen und die übelsten Gefühle eingestellt. Alle werden mich mitleidig anschauen, wenn ich alleine dort sitze, alle werden verliebt zu den italienischen Schnulzen tanzen, während ich mir in der Ecke den nächsten Prosecco runterkippe und alle werden ihre eigene Partnerschaft noch mehr zu schätzen wissen, wenn sie mich armes weibliches Singleexemplar verloren auf dem Parkett beobachten.
Dann werden natürlich auch die Fragen kommen, ob ich und mein Ex zusammen dort sind, wie mein jetziger Beziehungsstatus ist und ob diese Situation nicht sehr schwer für mich sei. Ich hab mich auf leise Heulkrämpfe auf der Toilette eingestimmt, auf meine Eisprinzessin-Attitüde, weil ich von fremden Gruppen eingeschüchtert bin und vor allem hab ich mich auf ein überwältigendes Gefühl der Einsamkeit, des Übrigbleibens und des Andersseins mental vorbereitet. Warum bist du dann überhaupt hin, fragt ihr euch? Naja, weil die Missgunst ein Luder ist und ich dieses schöne Event von zwei Menschen, die mir wichtig sind, nicht kampflos meinem Ex überlassen wollte.
Die Realität
Tatsächlich hatte ich mich wirklich gut vorbereitet und oben beschrieben Gefühle und Ängste mit meiner Therapeutin besprochen, die schon recht genau weiß, wie sie meiner zarten Paranoia den Wind aus den Segeln nehmen kann. Zudem hab ich dafür gesorgt, dass ich mich zumindest optisch bestmöglichst fühlen werde. Alle Outfits wurden feinsäuberlich ausgewählt und zuhause mit Schuhen und Schmuck probiert. Darüberhinaus hab ich die Haare noch schnell frisch getönt, alle Nägel lackiert, die Beine enthaart und das Gesicht gesheetmasked, den ganzen Selfcare-Schmus eben.
Und dann, dann ging’s los, drei Stunden im Auto mit dem Mann, von dem ich so viel wollte und nix bekommen habe. Aber...ich bin nicht mehr die, die ich vor fast zwei Jahren war. Die Wunden sind geheilt, die Mauern aufgezogen und meine Emotionalität würde beim Thermometer bei „kühl“ eingestuft werden. Unten angekommen haben wir kurz gechillt und dann ging’s auch schon zum Pre-Wedding-Dinner. Ich trug ein Kleid, dass bei jeder falschen Bewegung meine Nippel blitzen ließ, hab die hohen Schuhe gewählt, übermäßig Schmuck und Rouge getragen und das schönste an der Sache, mir keine Sekunde Gedanken gemacht, ob die anderen mehr oder weniger aufgehübscht sein werden als ich (babysteps!). Bei der Location kam dann natürlich der erste Schreck, lauter kleine Grüppchen, die schon miteinander reden und ich kenne niemanden. Ja, bei solchen Situationen lohnt es sich tatsächlich an die Bar zu gehen und einsam mit dem Prosecco zu starten. Im Endeffekt war der Abend nett und ich bin mit tollen Frauen ins Gespräch gekommen.
Die Hochzeit selbst am nächsten Tag war ein Träumchen auf jede Weise. Das Wetter war bombastisch, die Lokalität der Wahnsinn, die Stimmung überragend, die Trauung wunderschön und das Antipasti Buffet mit eingekühltem Rose dazu hat die Italienerin im Herzen mehr als glücklich gemacht. Das allertollste dabei? Ich war zu jeder Sekunde ich, auf meinem Weg mit meinen Facetten, meinen Gefühlen und meiner Intuition. An diesem Tag war keine Angst dabei, nicht zu genügen, nicht genug gemocht zu werden, alleine zu sein oder nur zuschauen zu dürfen, wie andere das perfekte Ideal leben. Ich hab gelacht, getanzt und gefuttert (meine drei liebsten ges), mich alleine an den Tisch gesetzt, wenn ich das Bedürfnis hatte zu rasten, bin auf die Tanzfläche marschiert, wenn ich Lust drauf hatte, hab meine Wahrheit gesprochen und auch gelebt. Ich hab gestrahlt, auch wenn es nur für mich sichtbar war, und wenn ich jetzt daran denke, kommen mir die Tränen, weil es ein verdammt-kack-fucking langer Weg bis hierher war und ich fang gerade erst an.
Amore? Liebe für mich und meine Entwicklung. Darüberhinaus hat es (sorry) keine Sau interessiert, mit wem ich dort war und ob ich mit über dreißig Single bin. In der Realität interessieren sich die Leute zum Glück viel weniger für einen, als frau im Vorfeld immer befürchtet. Tolle Menschen wollen deinen Charakter sehen und auf die anderen kannst du sowieso verzichten.
Und der Ex?
Ja der Ex ist und bleibt weiterhin der Ex. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass ich den einen oder anderen schwachen Moment hatte, in „was wäre aber wenn“ Szenarien gerutscht bin und über alte Paarsituationen reminisziert habe. In diesen drei Tagen habe ich viel an ihm gesehen, das ich sehr geliebt habe, angefangen von seinem makellosen Geschmack bis hin zu den unbeschwerten Moves auf der Tanzfläche. Aber ohne rosarote Brille hab ich auch einiges wahrgenommen, was mehr denn je sehr deutlich nicht mehr für mich geht. Wir haben ein mehr oder weniger freundschaftliches Verhältnis, aber einige Narben sind auf dem dicken Fell, das ich mir inzwischen zugelegt habe, trotzdem noch zu sehen. Es ist wie es ist und er bleibt der, der er eh schon immer war, das ist ein relativ geringer Trost aber eine denkbar einfache Wahrheit.
Wie schön war es auch, mich nicht in der Reihe der Frauen anstellen zu müssen, die ihre Männer angifteln, weil diese sich alkoholtechnisch nicht im Griff haben. Stattdessen hab ich die Diskussionen beobachtet, mir ein weiteres Glas Rose (meine Leber war nur mäßig von den Feierlichkeiten begeistert) eingeschenkt und mit mir selber gedanklich angestoßen. Das Leben ist schön und das schönste am Singledasein ist für mich definitiv, dass ich nur mehr für mich denken, handeln und Verantwortung übernehmen muss – der Inbegriff von Dolce Vita!
Manchmal muss frau springen um zu fliegen und genauso oft kann es passieren, dass es zu einer Bruchlandung kommt. Diese Hochzeit hätte auch anders verlaufen können, selbst wenn, dann hätte ich eben etwas anderes über mich gelernt. In meinem Fall war's schön, aber es war auch keine typische Feierlichkeit, bei der sich nur Pärchen auf der Tanzfläche durch den Raum schunkeln. Es war Dolce Vita und es war eine wahnsinnig tolle Ansammlung von starken Frauen, die einander den Rücken gestärkt haben und das hab auch ich sehr gespürt.
Ich würde den Hochzeitsbesuch mit dem Ex nicht uneingeschränkt empfehlen, alleine auf eine Hochzeit zu gehen unter den richtigen Voraussetzungen hingegen schon! Aber nur, wenn du wirklich gern dort sein möchtest und dir nur deine Ängste im Weg stehen.
Richtig toller Beitrag!
Kurz nach meiner Trennung war ich auch alleine auf einer Hochzeit, bei der ich außer der Braut niemanden kannte. Der ganze Abend war eine Herausforderung, nachts bin ich erschöpft, aber sehr glücklich und stolz auf mich selbst ins Bett gefallen 😊
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag und den Mut, den du mir damit gemacht hast! :)