Liebeskummer ist eine gemeine Kombination aus verschiedenen Gefühlen, vielleicht kann er deshalb manchmal so überwältigend sein, sich so hoffnungslos anfühlen, den Körper lähmen, die Gedanken einnehmen und vor allem so viele Tage, Wochen und Monate spürbar bleiben. Oft ist es ganz egal, wie lange eine Beziehung gedauert hat oder ob es überhaupt eine Beziehung war, der Schmerz nach einer Trennung ist kaum zu ertragen, vielleicht weil es eine große Liebe war oder weil Hoffnungen und Wünsche unbeantwortet blieben, weil die äußeren Umstände nicht gepasst haben, weil es einfach nicht funktioniert hat, obwohl es so schön hätte sein können. Die Emotionen gehen dann in alle Richtungen, von Wut und verletzten Stolz über Zurückweisung und Verlust bis hin zu Trauer und Wehmut.
Ich bin nun bald 9 Monate getrennt, einen Großteil dieser Zeit habe ich in Lockdowns und mit vielen Einschränkungen verbracht und mit ganz vielen Strategien, um mich selbst zu trösten. Was sich im Herbst noch unmöglich angefühlt hat, ist nun endlich eingetroffen – ich weine nicht mehr, es tut nicht mehr weh. Klar habe ich hin und wieder noch melancholische Momente, stelle mir vor, wie es hätte sein können, aber der Schmerz und die vielen anderen Emotionen, die mit ihm kamen, sind weg. Bis hierher war es ein langer Weg, rückblickend musste ich vieles umkrempeln, meinen Alltag neu sortieren und auch meine Gedanken langsam von meinem Kummer befreien. Einige Neuerungen haben sich ganz intuitiv eingestellt, andere Veränderungen habe ich bewusst gewählt, um mir selbst diese schwere Zeit ein bisschen leichter zu gestalten. Alle haben dazu geführt, dass ich mich heute frei fühle.
Eintauchen, ausweinen, ablegen.
In den ersten Wochen habe ich gebadet in meinen Emotionen, es wäre auch gar nicht anders gegangen, da mir bei jeder Gelegenheit die Tränen kamen. Viele Abende habe ich weinend auf der Couch Fotos angesehen, Momente Revue passieren lassen, alte Nachrichten gelesen und mich ganz meinem Schmerz hingegeben. Ausgeweint, jeden Tag sind so viele Tränen geflossen, bis es sich leichter angefühlt hat. Nach und nach habe ich dann versucht, nach den Tränen gemeinsame Erinnerungen abzulegen, ein radikales Verbannen und Auslöschen meines Ex-Freundes war für mich unmöglich, auch wenn das in vielen Ratgebern und Kolumnen steht, dafür mag ich ihn viel zu gerne und unsere gemeinsame Zeit gehört einfach zu meinem Leben.
Dennoch habe ich Karten, Briefe und Fotos in einer Schachtel verstaut, die Alben von gemeinsamen Urlauben am Handy ausgeblendet, bin ihm auf Social Media entfolgt, hab meinen Prime Zugang von seinem Fernseher entfernt und die Jahrestagerinnerung aus dem Kalender gelöscht. Aber ich trage nach wie vor die Ohrringe, die er mir geschenkt hat, hab unseren WhatsApp Verlauf behalten, weil daran viel Schönes hängt und wir sind in Kontakt geblieben, manchmal mehr und manchmal weniger. Eine Beziehung und einen lieben Menschen zugleich zu verlieren, hätte ich nicht überstanden. Wieviel Abstand nötig ist beziehungsweise gut tut, ist glaube ich ganz individuell und auch von der Art der Trennung abhängig, für mich persönlich war ein wenig Kontakt tröstlich, dennoch wollte ich mich nicht täglich mit Erinnerungen quälen.
Serien & andere Ablenkungen.
Um diesen Kreislauf des abendlichen Weinens zu durchbrechen, habe ich mich in unzählige Serien gestürzt. Naja, ich hätte auch Yoga machen können, lesen, stricken, malen oder schreiben, aber das war mir alles zu leise und hat meine Gedanken zu sehr schweifen lassen. Ich wollte Ablenkung, Geräusche in der ruhigen Wohnung und etwas, auf das ich mich abends freuen konnte. Ich möchte gar nicht wissen, wieviele Stunden ich auf Netflix und Amazon Prime verbracht habe, aber es waren hunderte. HTGAWM habe ich innerhalb von 2 Wochen durchgesuchtet, damals 4 Staffeln wohlgemerkt. Aber ich habe mich auch mit weniger spannenden Serien begnügt, auch mit ganz neuen, auch nur einer Staffel, Hauptsache Ablenkung. Woche um Woche wurden die Abende alleine leichter und schließlich waren mir auch wieder leise Aktivitäten möglich, aber Serien in Kombination mit Alpro Schokopudding haben mir sehr durch die erste schwere Zeit geholfen.
Neues Ich.
Ein neues Ich – diese Veränderung habe ich bewusst gewählt. Ich wollte mich neu erfinden, mich neu fühlen, neu wahrgenommen werden, mich loslösen von der Frau, die in einer Beziehung war. Angefangen habe ich bei meiner eigenen Wohnung und ehrlicherweise war es mir eine Genugtuung, Dinge zu kaufen, die in unserer gemeinsamen Wohnung eine Diskussion waren. Ich hab mir neue Bettwäsche gegönnt, eine weiße aus Leinen, wie sehr mich seine blauen immer genervt haben, mir genau die Couch gekauft, gegen die er sich Monate lang gewehrt hat, mir auch einen Dyson geleistet, weil ich seinen dort lassen musste, hab die Küche nach meinen Bedürfnissen und mit meinem Geschirr eingeräumt, wo ich zuvor alle seine Utensilien akzeptiert hatte. Und ich hab neues Klopapier, wie ich diese blöden gemusterten Rollen gehasst habe, wortlos hingenommen, mein Klopapier muss weiß sein! Jede Unnötigkeit habe ich mir erlaubt, von der zehnten Vase bis zum Etikettiergerät für die Gewürzgläser.
Nach diesem ersten Schritt habe ich bei mir weitergemacht, ich hab eingekauft, was das Zeug hielt. Drei neue Jeans, eine Handvoll neue Pullover, ein paar T-Shirts, zwei neue Paar Schuhe, zwei Mäntel, ein Kleid und eine traumhafte Handtasche – alles fair produziert, hochwertig und mit sehr viel Bedacht und Liebe ausgewählt. Dazu Goldohrringe, zwei Garnituren neue Unterwäsche – so teuer, dass ich jetzt noch schmunzeln muss und zwei neue Parfums. Ich habe in den letzten Monaten viel mit Mode gespielt, hab meinen Stil neu erfunden, ich sehe jetzt anders aus, rieche anders, fühle mich anders. Das alles hat viel Geld gekostet, Geld, das ich nicht besser investieren hätte können, in mein Glück, meine Heilung und mein neues Ich als Single.
Self-Care in jeder Form.
In Zeitschriften wird unter Self-Care vor allem intensive Körperpflege und eine gesunde und ausgewogene Ernährung verstanden, dem stimme ich zu, aber das Konzept der Selbstfürsorge hat so viel mehr Gesichter. „Sorg dich um dich selbst“ steckt im Begriff, du darfst in dich hinein hören und dir Gutes tun. Ich empfehle, sich selbst wie eine Freundin zu behandeln, der man das Beste raten möchte, Gesichtsmasken und Green-Smoothies kommen mir dabei am wenigsten in den Sinn. Für mich war und ist Selbstfürsorge, dass ich das Gespräch suche, mit Freundinnen und Familie und auch mit meiner Therapeutin. Es tut unglaublich gut, die Gefühle, den festsitzenden Schmerz und die eigene Verletztheit auszusprechen. Viele Male habe ich dabei geweint, was auch ok war, aber ich war nicht allein. Meine Situation wurde wahr- und mein Kummer ernstgenommen, tröstende und bestärkende Worte folgten.
Selbstfürsorge war das dritte Glas Wein unter der Woche zu trinken, weil es gerade so gut tut, die Tafel Schokolade zu inhalieren, weil mein Körper danach schreit, die Nägel zu lackieren anstatt Schularbeiten zu kontrollieren oder auch sie unlackiert zu lassen, weil ich lieber die Serie schaue, faul zu sein, obwohl ich viel zu tun hätte und nein zu sagen bei Einladungen. Ebenso habe ich mich aber auch zur Kosmetikerin ausgeführt, bin Samstags in die Markthalle spaziert, hab mich mit Blumen beschenkt und die besten Oliven gekauft, hab meinen Balkon aufgehübscht und Beiträge für diesen Blog geschrieben. Für mich zu sorgen bedeutet sehr lieb mit mir zu sein, mir schlechte und gute Tage zu erlauben, meinen Bedürfnissen nachzugeben, auch wenn sie nicht in mein Selbstkonzept passen, und mir die beste Lebenswelt zu schaffen, die gerade möglich ist.
Bewegung, täglich.
Hier muss ich glaube ich gar nicht viel schreiben, den Körper zu bewegen tut einfach gut, vermindert nachweislich Stress und schüttet Glückshormone aus. In Zeiten von Kummer ist Bewegung eine Wohltat für das Gemüt, ich hab mich praktisch täglich bewegt. Wenn ich motiviert war, ging ich laufen, sonst nur spazieren. Ich habe wieder Yoga gemacht, Fitness-Videos ausprobiert, mit Gewichten trainiert und mich hin und wieder bis zum Limit ausgepowert. Inzwischen mache ich nicht mehr jeden Tag Sport, aber ich lege Wert darauf, an der frischen Luft zu sein, seit Monaten gehe ich zu Fuß zur Arbeit und diese Wege mit Kaffee in der Hand und Musik im Ohr möchte ich nicht mehr missen.
Pläne & Routinen.
Vorfreude ist wirklich die schönste Freude, vor allem wenn der Status quo mehr als mühsam ist. Lockdown, Liebeskummer, Wintermonate – das war eine üble Kombination, die mir echt zu schaffen gemacht hat. Also habe ich zuerst kleine Rituale eingeführt, auf die ich mich freuen konnte. Jeden Mittwoch habe ich mich mit meiner besten Freundin zum Essen getroffen, machen wir noch immer, ich freu mich schon Tage davor auf diesen schönen Wochenteiler. Jedes zweite Wochenende schlafe ich einmal in meinem Elternhaus, schmuse mit der Katze und lass die Seele bei Wein und der besten Antipasti vom Italiener unseres Vertrauens baumeln. Friseur- und Kosmetiktermine weiß ich schon Wochen im Voraus, ebenso versuche ich mir schon unter der Woche Aktivitäten fürs Wochenende zu überlegen. Am meisten Spaß machen jetzt gerade die Urlaubs- und Sommerpläne und Konzerte, die wieder stattfinden, Reservierungen für Restaurantbesuche und Wochendtrips. Ich tagträume wieder. Stell mir vor, wie Dinge sein könnten, lass die Gedanken schweifen und freu mich auf alles was kommt.
Was natürlich über all diesen Strategien stand, war die Zeit. Die Zeit heilt, hilft beim Verarbeiten, lässt Erinnerungen verschwimmen und Gefühle verblassen. Zu akzeptieren, dass meine Gefühle weniger werden, war, so sehr ich es auch herbeigesehnt hatte, ein schwerer Prozess. Vor einigen Monaten schien es undenkbar, dass ich heute diesen Beitrag schreibe, mich heute so fühle und nach dem Regen wieder die Sonne scheint. Ein bisschen mehr Vertrauen hätte ich gerne gehabt, Vertrauen, dass schon alles richtig ist und dass ich so sein darf, wie ich gerade bin.
Danke! Gibt mir gerade viel Hoffnung. #monatfünf