Es herrscht gerade Aufbruchsstimmung: Das Schuljahr geht zu Ende, die neue Wohnung nimmt Gestalt an, der endgültige Umzug steht bevor und der lange Sommer ist zum Greifen nah. Es fühlt sich ein wenig so an wie letztes Jahr im August, als ich meine alte Wohnung geräumt habe und wusste, dass es bald für 5 Monate auf Reisen geht. Umbruch ist für mich immer ein zweischneidiges Schwert. Ich liebe es, wenn etwas Neues bevorsteht und trotzdem fällt es mir ganz arg schwer, das Alte zurückzulassen. Veränderung macht mich beides, freudig aufgeregt und ängstlich nervös. Im Moment muss ich viel mit und an mir arbeiten, um gut durch diese Phase zu kommen und das hab ich mir zum Anlass genommen, ein bisschen über das Thema Veränderung und Loslassen zu schreiben.
Heute schon losgelassen?
Sie ist schon eine undurchsichtige, diese Angst vorm Loslassen. Wir haben etwas, vielleicht sogar jahrelang, etwas, was uns womöglich einmal sehr sehr wichtig war, und dann bemerken wir, dass es nicht mehr dienlich ist oder uns nicht mehr gut tut. Zack, ist sie da, die Angst, eine voreilige oder falsche Entscheidung zu treffen, die Angst, nicht mehr zurück zu können und dann beginnt erst der richtige Leidensweg. Das Pro und Contra tanzen im Kreis, die Unsicherheit wird zur Lethargie und die Lethargie wird zum stillen Leiden. Naja, so ist es zumindest bei mir.
Ich kann mich inzwischen richtig gut von Dingen und Gegenständen trennen aber von Situationen oder Menschen dafür umso schlechter. Nur um einige Beispiele zu nennen: Seit Monaten wohne ich bei meinen Eltern, wir verstehen uns super, aber ich hab mich nach meiner eigenen Küche, meinem Kühlschrank, der Stadt etc. gesehnt. Nun ist es soweit, dass ich ausziehe und so sehr ich mich freue, fällt es mir auch schwer, die bisherige Situation zurückzulassen und dieses Kapitel zu beenden.
Ebenfalls seit Monaten, vermutlich schon länger, weiß ich, dass eine Freundschaft keine Freundschaft mehr ist. Ich fühle mich weder gesehen noch unterstützt und habe aufgehört, aktiv an unserer Beziehung zu arbeiten, weil ich weiß, dass sie mir nicht mehr guttut. Das ganz Loslassen ist mir noch nicht gelungen, es wird wohl eine von diesen typischen versanden lassen Geschichten, obwohl ich das gar nicht mag.
Und natürlich der ewige Ex, glaubt mir, ich kann’s selbst nicht mehr hören, dessen Worte ich letzten Sommer wieder geglaubt habe, und der sich – SCHOCKER – aus jeglicher Verantwortung zieht. Hier hab ich vor kurzem sehr klare Worte gefunden, aber mein vegetatives System verbeißt sich noch ein bisschen in diese Beziehung, während mein Kopf Schwerstarbeit leistet, das Kapitel endlich abzuschließen. Die Angst ganz loszulassen sitzt richtig tief.
Eine Idee, die zur Lebensrealität wird.
Nun, das Bedürfnis Loszulassen, kommt ja nicht von ungefähr. Wir wissen genau, dass uns die Schuhe nicht mehr gefallen, die Jeans einfach zu eng ist, die Freundin nur an ihrer Lebensrealität interessiert ist und der Mann garantiert Kummer bringt und trotzdem fällt es oft so schwer einen Schlussstrich zu ziehen.. Ich hab da so meine drei Theorien.
Erstens, richtig vermutet, die Kindheit, wenn du seit jeher in sehr stabilen Verhältnissen groß geworden bist und dir deines Platzes und deines Werts immer bewusst und sicher warst, dann hast du vermutlich wenig Probleme, klare Grenzen zu setzen und dich von Dingen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die dir keine Freude mehr machen, zu trennen. Warum auch, du weißt ja, dass du super zurecht kommst und auf deine Intuition hören darfst. Nun, wenn deine Kindheit nicht so ausgesehen hat, du mit Verlust gekämpft hast oder dein Selbstwert sich aufgrund äußerer Umstände nicht gut entwickelt hat, dann hast du ziemlich sicher deine Probleme mit Trennungen. Kann ich es mir erlauben, diese Vase wegzuschmeißen? Kommt je wieder jemand, den ich auch mag? Was werden die anderen über meine Entscheidung denken?
Zweitens, das Loslassen des eigenen Persönlichkeitsbilds. Ich bin eine, die ist süchtig nach Harmonie, zumindest war ich das immer, und es fällt mir extrem schwer, dieses Selbstbild gehen zu lassen und mich mit der Idee anzufreunden, dass ein Ja zu mir oft ein Nein zu jemand anderem ist. Schon lange lass ich mir nicht mehr alles gefallen und dennoch ist es schwer, mich in der Rolle jener, die sich einfach so trennt oder widerspricht oder sich wehrt, zu sehen. Nicht mehr das immer brave Kind, die immer verständnisvolle Freundin oder alles vergebende Partnerin zu sein, ist Schwerstarbeit für mich und spiegelt sich in allerlei Konflikten mit mir selbst und Unsicherheiten in meinen Entscheidungen. So warst du doch nie! Jetzt sei doch nicht so kleinlich? Puh, du hast dich echt verändert!
Ins Tun kommen!
Drittens, Übung macht die Meisterin. In meinen Zwanzigern dachte ich, ich wäre frei von jeglichen Unsicherheiten, ich hab mich praktisch in der Mittagspause von einem Freund getrennt und bin danach Flöte üben gegangen. Die Wahrheit ist, ich hab mich kaum gespürt und niemanden ehrlich an mich rangelassen, dann lässt es sich natürlich leicht los. Trotzdem glaub ich, dass Loslassen auch geübt werden kann und will.
Jedes Jahr bin ich noch radikaler, wenn es ums Ausmisten von Dingen und Kleidung geht. Ich hab schließlich über die letzten Jahre gelernt, dass ich nie (!!!) etwas im Nachhinein vermisst habe und es sich immer gut anfühlt, nur das zu besitzen, was mir wirklich eine Freunde macht. Auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen ist es so. Wenn du genau weißt, dass du die Trennung von einer geliebten Person – sei es platonisch oder romantisch – schon einmal überstanden hast und es nach viel Kummer wieder nach oben schaffst, wird es vermutlich beim nächsten Mal schon leichter. Trennen ist aber nicht gleich Loslassen, letzteres ist meiner Meinung nach um einiges diffiziler.
Was hilft also? – Pläne schmieden und sich selbst etwas Gutes tun und das am besten in Hülle und Fülle! „Wer loslässt, hat beide Hände frei“, ist für mich eine sehr schöne Vorstellung, um in die Gänge zu kommen. Anstatt mich mit dem immer gleichen Thema zu quälen, gehe ich zum Beispiel spazieren und hole mir ein Eis, gestalte eine Ecke in der Wohnung neu, sortiere meine Noten oder plane meinen nächsten Kurztrip. Mir hilft es am besten, wenn entweder körperliche Aktivität involviert ist (beruhigt das System) oder ich mit meinen Plänen ein bisschen übers Ziel hinausschieße (go big or go home) und mir kleine Luftschlösser baue, die ich dann Stück für Stück umsetze.
Aus sehr schwierigen Situationen sind in der Vergangenheit die tollsten Abenteuer entstanden. Als ich beschloss auf Reisen zu gehen, war ich praktisch am Tiefpunkt, als ich die Wohnung gekauft habe, hat mich alles genervt, mein erster Solotrip nach Florenz wurde an einem „Ihr könnt mich alle einmal“-Tag geplant. Es braucht – zumindest für mich – dieses Gefühl von JETZT ERST RECHT.
Also, fühlt rein, warum ihr nicht loslassen könnt, stellt euch vor, wie toll es sich anfühlen würde beide Hände frei zu haben und fangt mit einem Projekt nur für euch selbst an.
Die Realität ist natürlich, dass, egal wie toll die Pläne sind und wie groß das Projekt ist, die Zweifel und Unsicherheiten trotzdem immer wieder vorbeischauen. Meine Therapeutin meint dann, dass ich das Ganze mit Humor nehmen soll im Sinne von „Ah, ihr schon wieder, ich brauch euch eigentlich nicht, schleicht’s euch“ (sie sagt das mit ihrem oberösterreichischen Dialekt und ich muss jetzt jedes Mal schmunzeln, wenn mich meine Gedanken überlaufen). Das hilft, es hilft auch zu wissen, dass Zweifel nur zusammen mit Entscheidungen kommen können, ein Beweis, dass die Intuition sich schon sicher ist. Ich übe noch.
Nächstes Mal kommen dann die Wohnungsupdates und -bilder. Versprochen.
xxx
ความคิดเห็น