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Autorenbilddiedreißigerin

Zuckerbrot & Peitsche!

Wie schon so oft gehört, in klugen Ratgebern gelesen und selbst auf diesem Blog formuliert: Das Leben wirft dir so oft eine Situation vor die Füße, bis du etwas verstanden hast. Es ist ein ständiges Hinfallen und Wiederaufstehen, ein fortlaufendes Voranschreiten und wieder Rückschritte machen, ein kontinuierlicher Lernprozess. Nun, am Sonntag war es wieder soweit, ich bin hingefallen, ziemlich hart und ohne Schützer, über die gleiche Wurzel, hab mir die Stellen, die eh noch vom letzten Mal wehtun, erneut aufgeschürft, mich über mich selbst geärgert, weil es schon wieder passiert ist und viel darüber nachgedacht, warum ich augenscheinlich einfach zu dämlich bin, um diese Situation zu verstehen. Es hat jetzt ein paar Tage gedauert, bis sich die Wut gelegt hat und ich in der Lage war zu reflektieren, weshalb ich so mit mir umgehen lasse und wie mein Weg aus dieser wiederkehrenden Misere aussehen kann.

 

Lass uns genauer hinschauen.

Diesesmal war ich ein wenig hin- und hergerissen, wie dieser Beitrag aussehen soll, weil ich hier niemanden an den Pranger stellen und trotzdem ehrlich erzählen möchte. Im Endeffekt befinde ich mich seit Monaten in einer Situation, die überall stattfinden kann, in der Familie, im Freundeskreis, in Beziehungen oder auch in ersten romantischen Annäherungen, ich lass mich mit Zuckerbrot locken, nur um mir dann wieder die Peitsche einzufangen. Seit nun fast einem Jahr (und das muss ich mir erst auf der Zunge zergehen lassen) sind mein Exfreund und ich getrennt. Innerhalb dieses Zeitfensters gab es natürlich verschiedene Phasen, die alle ihre Berechtigung hatten, so richtig loslassen konnten wir beide aber nie. Zuerst war es der Herzschmerz & die unglaubliche Vermissung, die mich immer wieder zurückkommen haben lassen, danach neue Hoffnung und ein sehr idealisiertes Bild unserer gemeinsamen Zeit, zuletzt waren es Selbstsabotage, Naivität und fehlender Selbstwert und hier wird es gefährlich und schmerzhaft, weil die Verantwortung in erster Linie bei mir liegt und ich schlicht und einfach immer lieb lächelnd die Augen vor der bitteren Realität verschlossen habe.

Wenn ich zurückblicke, kenne ich solche Situationen und dieses Muster natürlich gut, du vielleicht auch! Es ist die vermeintliche Freundin, die sich bei dir meldet, wenn sie ihren Kummer oder ihren Erfolg loswerden möchte, dich sonst aber links liegen lässt und dir ständig das Gefühl gibt, dass du dir ihre Aufmerksamkeit verdienen musst. Es ist der Vater, der dich hängen lässt, wenn es um etwas Wichtiges geht, dir aber Geschenke macht und die tollsten (leeren) Versprechungen formuliert. Es ist der Typ, der sich immer wieder mal spontan meldet, wenn er gerade Bock auf dich hat, aber von ordentlichen Verabredungen und aufrichtiger Kommunikation nichts wissen will. Es ist die Beziehung, in der du das Gefühl hast, dass du ständig mehr geben musst als du bekommst, in der du endlos viele Kompromisse eingehen musst, und in der du ständig viel einsteckst und dir die Dinge schönredest, damit es funktioniert. Ich kenne sie alle, die Beschwichtigungen, hab sie zigmal gehört und selbst ausgesprochen. Er/sie kann schwer Gefühle zeigen, meint es nicht so, hatte eine komplizierte Kindheit, versucht sich zu bessern, tut sich besonders schwer mit xy, weil er/sie so aufgewachsen ist, braucht mehr Zeit oder auch jede/jeder hat eine Seite, die schwierig ist, frau muss nur geduldig sein, noch härter an sich selbst arbeiten, großzügiger mit den Macken des anderen sein, darf nicht zu viel erwarten und Traumbeziehungen, egal welcher Art, gibt es sowieso nicht.

Selten bis gar nicht höre ich: "Das ist wirklich ein scheiß Charakterzug, der mich eigentlich nur unglücklich macht, und hier muss sich sofort etwas ändern!" Und glaub mir, ich bin eine große Advokatin (und mhhh jetzt muss ich an A(d)vocado-Toast denken) für Fehler, Vergebung, neue Chancen und Entwicklungsprozesse. Ich bin absolut der Meinung, dass wir alle unser Päckchen aus der Vergangenheit zu schleppen haben, alle an gewissen Baustellen noch arbeiten müssen, niemand perfekt ist und Kompromisse in jeder zwischenmenschlichen Beziehung dazugehören, aber ich glaube auch, dass wir alle hin und wieder klare Grenzen setzen und uns nicht bis zur Selbstzerstörung verarschen lassen sollten.


Eigentlich find ich mich ziemlich großartig!

Bei mir hat in den letzten Tagen ein krasser Perspektivenwechsel stattgefunden, es hat damit begonnen, zu überlegen, warum ich in dieser verqueren Konstellation mit meinem Exfreund so das Bedürfnis habe, geliebt zu werden, Bestätigung zu bekommen, mir Aufmerksamkeit zu erkämpfen und mich zeitgleich blöd behandeln lasse. Denn, und ich kann dir nur empfehlen auch darüber nachzudenken, ich mag mich ziemlich gerne und bin fest der Meinung, dass ich grandiose Beziehungen in meinem Leben verdient habe. Ich bin eine tolle Frau und ich habe einen schönen Charakter, natürlich Macken und Baustellen ohne Ende, aber würde ich mich kennenlernen, ich würde mich sehr mögen. Fast alles, was ich an mir besonders mag, hat damit zu tun, wie ich mit meiner Umwelt und den Menschen in meinem Leben umgehe. Vor allem Frauen prahlen viel zu wenig mit dem was sie können und wer sie sind und fokussieren sich häufig auf äußere Umstände, die im Endeffekt niemanden interessieren. Niemand wird dich in Erinnerung behalten, weil du besonders schlank bist, enorm viel Geld hast, extra teure Taschen trägst oder 20h Überstanden pro Woche machst. Aber ziemlich sicher bleiben aufrichtige Gespräche, ein freundlicher Umgang, inspirierende Kreativität oder besonders ansteckender Humor in den Köpfen. Lern dich selbst doch noch einmal kennen und überlege, was du an dir selbst sehr gerne magst.


Ich bin die, die seit Jahren kein Fleisch mehr isst, weil sie Tiere mag, die sich bemüht, fair und bio einzukaufen, weil ihr der Planet am Herzen liegt, die Nachrichten am Anfang der Woche schickt, damit dein Wochenstart versüßt wird, die Pflanzen gießt und ein Willkommensgeschenk hinterlässt, wenn du auf Urlaub fährst, die dich nach der Weisheitszahnoperation abholt, damit du nicht alleine nach Hause gehen musst, die dir Wicksalbe bringt, wenn du dich verkühlt fühlst, die dir zuhört, wenn du Probleme hast und Ratschläge gibt, wenn du danach fragst. Ich bin auch die, die regelmäßig spendet, auch wenn's nicht viel ist, die der Frau, die täglich am Innufer sitzt, hin und wieder einen Muffin vom Bäcker mitbringt, die am liebsten alle Katzen der Welt adoptieren würde, die ganz viel Liebe zu geben hat, die sich Kritik und Gefühle anderer zu Herzen nimmt und an sich arbeiten möchte, die loyal und aufmerksam ist, sich bemüht mit allen freundlich zu sein und lieber schmunzelt als wütend zu hupen. Diese Liste könnte ewig weitergehen, weil es ganz viel gibt, dass ich an mir mag und ich viele Qualitäten habe, die ich an mir und auch an anderen schätze. Vor allem mag ich, dass ich bereit bin über mich hinauszuwachsen und ich liebe es, anderen zuzusehen und zu applaudieren, wenn sie das gleiche tun.

Also, wenn ich mich doch nun so gerne mag und mir meiner Qualitäten und meiner Ansprüche bewusst bin, weshalb gebe ich mich dann mit zu wenig zufrieden? Immerhin habe ich es schon ein paar Mal geschafft, mich aus Beziehungen, die mir nicht mehr gut tun, zu lösen, freundschaftlich, väterlich und auch romantisch. Vermutlich ist es das Alter, die Idee von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft und natürlich das Zuckerbrot, schöne Worte sind meine Achillessehne, Versprechungen mein Kryptonit gepaart mit ein wenig Naivität und Verlassensängsten mein Untergang. Wär ich meine Freundin, hätte ich mir schon lang eine Fußfessel verpasst, hätte mich vor meinen Augen seine Nummer und den Whatsapp-Verlauf löschen lassen und hätte mich immer wieder darin bestärkt, dass ein ständiges vielleicht und hin und her, sporadisches Interesse und diese zerfressende Unsicherheit nicht gut genug für mich sind. Eigentlich weiß ich das auch, ich muss es nur noch verinnerlichen.


Be a Samantha in world of Carries.

Letzte Woche war es eben wieder soweit, ich hatte meine Lektion zu lernen, an allen sieben Tagen. Was genau war, ist an dieser Stelle absolut unwichtig, entscheidend ist, dass ich mich schlecht gefühlt habe und dass ähnliche Situationen mit ihm schon viele Male davor zustande gekommen sind. Viele Male habe ich verziehen, viele Male meine Bedürfnisse kommuniziert, viele Male hat er Besserung versprochen und irgendwann ist es Zeit zu akzeptieren, dass Sackgassen immer mit dem Kopf gegen die Wand enden. Meine Worte waren deutlich, deutlicher als jemals davor, von Wut und Verletzung getrieben, aber vielleicht hat es genau diese Emotionen gebraucht, um den finalen Schlussstrich zu ziehen. Ich weine das letzte Mal, das hab ich mir selbst versprochen und ich wünsche mir etwas anderes, darin hab ich mich selbst bestätigt.

Danach kamen natürlich wieder reumütige Nachrichten "kann es nicht besser", "bist mir wichtig" blablabla und ein "du hast jemand besseren verdient" – und obwohl bei diesen Worten sonst immer Mitleid und Verständnis die Überhand nehmen, musste ich ihm diesesmal Recht geben. Die Idee von Mr. Big, der am Ende und nach jahrelanger Demütigung doch zu Carrie zurückkommt und die große Liebe verspricht, mag in Sex an the city das ultimative Happy End sein, in Erinnerung blieb mir aber Samanthas Satz an einen Mann, der sie mit seinem Verhalten verletzte und unglücklich machte: I love you too, but I love me more!

 

So ist es, ich mag ihn, aber mich mag ich mehr. Ich hätte mir alles mit ihm vorstellen können, hab unzählige Male auf sein und unser Entwicklungspotenzial vertraut und mich die letzten Wochen echt mies gefühlt, weil er mir ständig das Gefühl gegeben hat, dass ich keine Priorität in seinem Leben bin. Oder vielleicht hat er eben das auch sehr gut kommuniziert, mir eigentlich deutlich gezeigt, dass ich in eine Sackgasse gehe. Deshalb ist mein Exfreund kein schlechter Mensch und hat auch keinen miesen Charakter, was seine Beweggründe für sein Verhalten sind, liegt auch bei ihm, ob er es wirklich nicht besser kann oder nicht bereit ist, an sich zu arbeiten, ist ebenfalls nicht meine Baustelle. Egal wie ich es drehe und wende, es ist meine Schuld, dass ich mich so gefühlt habe. Wie die anderen sich verhalten, ist nicht deine Aufgabe und nicht deine Verantwortung, aber wie du mir dir umgehen lässt und deine Standards verteidigst, das liegt wirklich alleine in deiner Hand. Also schau sie dir genau an, die Situationen, die ein komisches Gefühl auslösen, die mit Zurückweisung und Unsicherheit behaftet sind und entscheide, ob das Zuckerbrot die Peitsche wirklich wert ist. Ich hoffe sehr, dass ich in Zukunft einen anderen Weg nehme, mehr auf den Boden schaue und nicht mehr hinfalle. In der Zwischenzeit bin ich extra lieb zu mir, umgebe mich viel mit meinen liebsten Menschen und genieße (ausschließlich) die Zuckerseiten des Lebens.

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